Unfaire Rhetorik – Von Tätern, Opfern und Rettern

Donnerstag, 11. April 2019

Jeder kennt sie: verbale Übergriffe, bei denen uns die Luft wegbleibt. Meist mit dem Effekt, dass uns eine Stunde später einfällt, was wir hätten sagen können. Doch dann ist es zu spät. Wie unfaire Rhetorik entsteht und wie wir uns wappnen.

Der Wurf mit dem Dreck

Oft passiert es in alltäglichen Situationen, zum Beispiel in einem Meeting. Die Präsentation läuft, und plötzlich kommt ein kleiner Kommentar aus der Runde: „Darauf wäre ich selbst auch gekommen.“ Was vermeintlich harmlos klingt, ist eine üble Unterstellung mangelnder Kompetenz des Vortragenden. Nur Geübte wissen hier postwendend zu kontern. Sehr häufig passiert es, dass die betroffene Person mangels Schlagfertigkeit gar nicht reagiert. 1:0 für den Täter.

Ja, es ist unfair. Doch wenn wir nicht reagieren oder uns gar rechtfertigen, bleibt das Negative wie Dreck an uns haften.

Die Täter

Nicht nur im Business-Kontext, sondern auch im privaten Bereich (dort ist es oft noch viel schlimmer, „Nie hörst du mir zu!“ „Du warst schon immer Papas Liebling!“ „Um alles kann ich mich selbst kümmern!“) wird kräftig ausgeteilt. Ziel ist fast immer, den anderen in seiner Position zu schwächen.

Doch jeder von uns ist abwechselnd Täter, Opfer, Retter: es ist das berühmte und zutiefst menschliche Drama-Dreieck, mit dem auch im Theater gearbeitet wird.

Die Motive, Täter zu werden, sind unterschiedlich. Sie haben aber fast immer einen der beiden Ursprünge: einen Verteilungskonflikt (Neid, Macht) oder einen Beziehungskonflikt (Misstrauen, Überforderung, persönliche Probleme). Selbst die endlos tiefe Kategorie der Klischees („Typisch Mann!“) und Vorurteile („Alle Japaner fotografieren gern.“ „Ihr im Marketing habt ja keine Ahnung von Zahlen.“) entspringt diesen Motiven.

Die Opfer

Werden wir zum Opfer, also zum Ziel eines verbalen Angriffes, ist es wichtig, zu reagieren und den Täter zur Rede zu stellen. Zumindest rückfragen sollte immer möglich sein, zum Beispiel mit „Wie meinen Sie das?“. Dann steht der Täter unter Zugzwang und muss sich erklären.

Oft kennen wir die Täter und ihre individuellen Methoden und können bestimmte Reaktionen bereits im Voraus planen.

Ist die Beziehungsebene nicht im Reinen, kann die Rückfrage gefährlich werden, da Täter dann die Bühne nutzen können, um noch einen draufzusetzen. „Das meine ich GENAU so, wie ich es gesagt habe!“ Jetzt wird die Stimmung für alle spürbar unangenehmer.

Die Retter

Wer angegriffen wird, sollte dennoch deeskalierend wirken, um das eigene Gesicht – und auch das des Täters zu wahren. Warum das Gesicht des Täters wahren? Weil es sonst passieren kann, dass sich andere Teilnehmer zu Rettern entwickeln und plötzlich für den Täter Partei ergreifen („So heftig hätte sie aber jetzt auch nicht zurückschlagen müssen!“). Das kann – so unfair es ist – das Opfer Sympathiepunkte und Souveränität kosten.

Kontern und deeskalieren

Bei unserem unbequemen Meeting-Teilnehmer („Darauf wäre ich selbst auch gekommen!“) setzen wir daher eine Konter-Technik ein, zum Beispiel die Gerade-deshalb-Technik: „Gerade deshalb ist es wichtig, das noch einmal im Detail aufzuarbeiten.“ Damit haben wir reagiert, dem Täter vermeintlich recht gegeben – und dabei deutlich gezeigt, dass hier von uns die Expertise kommt. Das Ganze ist geschehen, ohne zu eskalieren.

Klar ist: Je konfliktbehafteter eine Situation ist, je stärker die Beziehungsebene belastet ist, desto schwieriger wird es, deeskalierend zu kontern.

Doch für den Alltag ist es schon ein Anfang, zu beobachten und sensibilisiert zu sein: Wo werde ich zum Täter? Wo bin ich Opfer? Was trifft mich am meisten? Darauf lassen sich Konter-Techniken vorbereiten.

Die besten Techniken stelle ich übrigens exklusiv in meinen nächsten E-Mail-Tipps vor: Jetzt gleich anmelden.